Ich wünsche mir ein Kind

Bis später Baby…

Ein unerfüllter Kinderwunsch bzw. ungewollt kinderlos zu bleiben ist ein Thema, über das in unserer Gesellschaft leider noch zu oft geschwiegen wird. Vor allem dann, wenn Single-Frauen davon betroffen sind. Diesen Frauen wird nicht nur vielfach das Recht auf ein eigenes Kind abgesprochen, sondern auch die Trauer, dass ihr unerfüllter Kinderwunsch sich nicht verwirklichen ließ. Höchste Zeit also das Thema näher zu beleuchten.

Der gedankliche Abschied vom nie geborenen Kind tut weh!

Kinderwunsch als Single

Liest man Artikel zum Thema “ungewollt kinderlos bleiben” fällt auf: In vielen Beiträgen stehen überwiegend Paare im Fokus der Betrachtung. Alter, Bildungsgrad, Fertilität oder künstliche Befruchtung – all diese Aspekte werden thematisiert, doch ganz selten ist von unbeabsichtigter Kinderlosigkeit von Single-Frauen die Rede. Wobei das Adjektiv “unbeabsichtigt” hier nicht ganz glücklich gewählt ist. Laut Duden impliziert der Begriff auch Folgendes: “aus Versehen”, “irrtümlich”, “ohne es zu wollen”, “unabsichtlich”, “unbewusst”, “ungeplant”, “ungewollt”. Alleine, dass es im Deutschen keine vernünftige Bezeichnung für den Zustand der “ungewollten Kinderlosigkeit” gibt, spricht Bände. Childless by circumstances, wie es im englischsprachigen Sprachraum heißt, beschreibt meiner Ansicht nach besser, wo das eigentliche “Problem” liegt: Kinderlos aufgrund von gewissen Umständen. In Großbritannien gewann das Thema durch Jody Day an Popularität. Die Engländerin gründete die Initiative Gateway-Women, die sich für Betroffene, die mit ungewollter Kinderlosigkeit konfrontiert sind, stark macht. In Deutschland sucht man hingegen vergebens nach solch einer Anlaufstelle. Eine Single-Frau, die ungewollt kinderlos bleibt scheint immer noch ein Tabu in Deutschland zu sein

Unerfüllter Kinderwunsch Ursachen 

Welche Frau gibt schon gerne zu, dass sie entweder nicht den richtigen Partner zum Kinderkriegen gefunden hat oder sich der Partner von ihr, im letzten fruchtbaren Zeitfenster, zwischen 35 und 40, getrennt hat! Aber warum fällt das so schwer?

Warum schweigen so viele über ein Thema, ein Schicksal, einen tiefen Schmerz, den sie nicht selbst und nicht “by choice” verursacht haben.

Kritiker dieses Umstands oder weniger sensible Menschen behaupten gerne: “Wenn man wirklich Kinder will, weiß man das früher” oder “dann hätte sie halt nicht den Fokus auf die Karriere legen sollen”. Doch stimmt das? Selbstverständlich sind solche Aussagen Schuldzuweisungen ohne Substanz. Schaut man sich die Frauen genauer an, die “not by choice” kinderlos geblieben sind, fällt auf: An Motivation und Willen, ihr Schicksal zu verändern, mangelte es den wenigsten.

Frauen, die das Damoklesschwert der endgültigen Kinderlosigkeit über sich schweben spüren sind oft bereit, in ihrem Handeln über die Schmerzgrenze des Möglichen hinauszugehen.

Wenn die Chance schwindet, den “Last-Minute-Partner” in einer Premium-Partnerschaftsbörse zu finden und sich auch kein Samenspender in einer der oftmals unseriösen Foren finden lässt, dann bleibt am Ende nur noch der Gang ins Ausland. 

Exit: Anonyme Samenspende in Dänemark, Tschechien oder Spanien

Unsere europäischen Nachbarn sind Hotspots der künstlichen Befruchtung, längst nicht mehr nur für Paare. Auch für Single-Frauen werden die Kinderwunschkliniken in Prag oder Barcelona immer beliebter, vorausgesetzt man bringt das nötige Kleingeld dafür mit. Spätestens jetzt stellt sich eine weitere Frage: Warum wird es Frauen in Deutschland zugemutet, all ihre Ersparnisse ins Ausland zu verfrachten und sich fern der Heimat einer komplizierten IVF oder ICSI-Behandlung zu unterziehen, alleine aufgrund der Tatsache, dass sie Single ist? Warum kann Sie sich Ihren Kinderwunsch nicht in Deutschland verwirklichen? Ein Grund hierfür ist die unklare Gesetzeslage bezüglich der Vaterschaft bei einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende. In Deutschland sind anonyme Samenspenden nicht erlaubt. Im Streitfall könnte somit theoretisch auch der behandelnde Arzt, als der, der zum Beispiel die Insemination vornimmt, als Vater zur Rechenschaft gezogen werden. Das schreckt natürlich viele Ärzte ab, weshalb, bis auf Bayern und Berlin, die meisten Kinderwunschkliniken die Behandlung von Single-Frauen ablehnen.

Für eine moderne, selbstbestimmte Frau ist diese fadenscheinige Begründung, auch seitens des Gesetzgebers, absolut unverständlich. Das traditionelle Familienbild scheint unantastbar in Deutschland zu sein. Die offene, aufgeklärte Gesellschaft und im Besonderen die politischen Entscheidungsträger, stoßen beim Thema „Single-Mum by choice“ an ihre (ach so toleranten) Grenzen. 

Etwa jede fünfte Frau in Deutschland bleibt kinderlos

Fest steht, dass mit zunehmendem Alter der potenziellen Eltern die Fruchtbarkeit abnimmt – und zwar früher, als die meisten annehmen. Eine Frau ist am fruchtbarsten in ihrem zweiten Lebensjahrzehnt. Mit 35 hat sie nur noch halb so gute Aussichten schwanger zu werden und ein gesundes Baby zu bekommen wie mit 25, danach fallen die Chancen rasch ab. Männer bleiben zwar grundsätzlich zeugungsfähig, aber der Testosteronspiegel und die Qualität der Spermien sinken im Laufe der Zeit ebenso. Nach 30 nimmt die Trefferquote auch bei Männern kontinuierlich ab. Der Mythos von “forever fertile” trifft in der männlichen Zielgruppe also ebenfalls nicht zu. 

Kinderlosigkeit, Trauer
Mutter trauert um Kind

Unerfüllter Kinderwunsch Psyche

Für viele Menschen wirft das Thema Kinderlosigkeit existenzielle Fragen auf: Wer bin ich ohne Nachwuchs, was bleibt von mir später ohne eigene Kinder, welchen Sinn hat mein Leben? Diese Fragen stellen sich meiner Erfahrung nach die meisten Patienten*innen im Laufe des Lebens. Bleibt es dann bei der Kinderlosigkeit und ist es, auch auf Grund des fortschreitenden Alters irgendwann klar, dass der Nachwuchs ausbleiben wird, folgt oftmals eine tiefe Trauerphase. Es ist der Abschied von der eigenen Fruchtbarkeit. Der Abschied vom Gedanken, eine eigene Familie zu gründen. Darauf folgen dann meist auch Schuldgefühle: Warum hat es bei mir nicht geklappt? Was ist mit mir falsch? Warum ich? Sich diese Fragen zu stellen ist auf der einen Seite absolut verständlich, doch darin zu verharren nicht gesund. Selbstverständlich ist die Zeit des Abschiednehmens vom Kinderwunsch keine Lappalie, sondern oftmals ein schmerzhafter Prozess. Bleibt man jedoch in der Trauerphase stecken, führt das nicht selten zu psychischen Leiden, zum Beispiel einer Depression oder Anpassungsstörung. Damit es gar nicht erst soweit kommt, ist es besser, sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Entweder durch Gespräche mit anderen Betroffenen, z.B. in einer Selbsthilfegruppe (die leider zu dem Thema noch nicht so verbreitet sind) oder sich psychologische Hilfe zu suchen, zum Beispiel bei einem erfahrenen Gesprächstherapeuten. Denn, es ist ok in dieser schwierigen Situation Hilfe anzunehmen. Niemand sollte das Thema marginalisieren oder gar tabuisieren. Auch wenn Sie denken, Sie seien alleine auf der Welt mit Ihren Sorgen, führen Sie sich noch einmal klar vor Augen: Jede Fünfte Frau in Deutschland bleibt kinderlos! Und nicht alle innerhalb dieser Statistik haben sich ihr Schicksal freiwillig ausgesucht. 

Wie geht es ohne Kinder weiter?

Es ist in Ordnung zu trauern, es ist auch in Ordnung, dass einen selbst nach vielen Jahren das Thema “ungewollt kinderlos” bzw. der unerfüllte Kinderwunsch wieder einholt. Doch am Ende geht es darum, sich neu zu definieren, sich ein gutes und glückliches Leben trotz Kinderlosigkeit aufzubauen. Und selbstverständlich muss nicht immer alles Sonnenschein sein, auch ambivalente Gefühle sind erlaubt.

Was übrigens umso schwieriger ist, je mehr ich mich auf das Thema Kinderlosigkeit fokussiere und andere positive Dinge in meinem Leben keine Geltung mehr einräume. Deshalb gibt es in meinen Augen auch nicht “jene Frauen”, die mit ihrer ungewollten Kinderlosigkeit besser zurechtkommen als andere. Frauen, die mit dem Kinderwunsch Frieden schließen und ihr Leben ohne Kinder akzeptieren, haben einfach meist bessere Ressourcen und alternative Perspektiven für ihr Leben entwickelt, als diejenigen, deren einziger Sinn im Leben ein eigenes Kind darstellt. 

Ob Kind oder kein Kind ist somit nicht die Frage! Denn, es kann langfristig nicht gesund für das eigene Selbstverständnis sein, sein Leben ausschließlich dem Thema Kind zu widmen. Eine Frau ist mehr als “nur” eine Mutter. Wird aber genau das infrage gestellt bzw. öffnet sich beim Blick in die kinderlose Zukunft nur eine leere Leinwand, dann stellt sich meiner Ansicht nach die Frage: Wie sieht es denn mit weiteren Ressourcen aus? Was macht mein Leben eigentlich aus, was sind meine Ziele im Leben (außer ein Kind) und welche Rolle nehme ich in diesem Leben ein? Ich gebe zu, diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten und manchmal braucht es auch Jahre, um überhaupt Antworten darauf zu finden. Doch ein Kind kann auf all diese Fragen niemals die Antwort sein. 

Bei der Bewältigung der eigenen Kinderlosigkeit gibt es meiner Meinung auch nicht DIE richtige Strategie. Vielmehr ist es die Entwicklung eines alternativen Lebenskonzepts, was Kinder übrigens auch nicht ausschließen muss. Vom Pflegekind bis hin zur Adoption eines Kindes gibt es noch weitere Optionen sich einen Kinderwunsch zu erfüllen. Oft bekomme ich jedoch in vielen meiner Gespräche zu hören, dass dies gar keine echten Optionen sind, da man sich dann ja nicht um ein leibliches Kind kümmert. Das stimmt natürlich, aber kümmern tut man sich trotzdem und auch die Mutterrolle übernimmt man mit der Aufnahme eines fremden Kindes automatisch. Ob dies jedoch überhaupt eine Möglichkeit für einen selbst darstellt, bleibt am Ende eine sehr persönliche Entscheidung. 

Die Akzeptanz der eigenen Gefühle, aber auch die Akzeptanz, dass es noch weitere Richtungen und manchmal auch Wendungen im Leben geben kann, von denen wir heute vielleicht noch nichts ahnen, sollte jedem Menschen ein wenig Hoffnung geben. Nur das stille Verharren im Leid und der Traurigkeit können am Ende nie die Lösung auf ein wirklich erfülltes Leben sein – auch und vor allem was das Thema unerfüllter Kinderwunsch betrifft.

Single Frau ohne Kind

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